Intensiver Kraftsport bei Arthroseschmerz im Knie oder nicht?
Bei Patienten mit Kniegelenkarthrose ist ein intensiv betriebenes Krafttraining über eineinhalb Jahre möglicherweise nicht wirksamer als ein moderates Programm oder auch gar kein Krafttraining. In einer randomisierten US-Studie waren die Effekte für beide Endpunkte, die Schmerzen im Knie sowie die Kompressionskräfte, die beim Gehen auf dem Gelenk lasten, nicht signifikant.
Von einem speziellen Krafttraining fürs Knie erwartet man sich bei Arthrosepatienten, dass es die Muskeln stärkt, dem Knorpelabbau entgegenwirkt und dazu führt, dass Stöße auf das Gelenk, z. B. beim Gehen, besser abgefangen werden. Damit sollen Arthroseschmerzen gelindert, die Beweglichkeit gefördert und letztlich auch das psychische Wohlbefinden der Patienten verbessert werden – soweit die Theorie, die auch Fachgesellschaften wie das American College of Rheumatology mit ihrer Empfehlung zum Krafttraining vertreten.
Schmerzen nicht gelindert, Kompressionskräfte nicht reduziert
Eine randomisierte Studie aus den USA weckt nun gewisse Zweifel an der langfristigen Wirksamkeit solcher Maßnahmen. Wie der Biomechaniker Stephen P. Messier von der Wake Forest University in Winston-Salem (US-Bundesstaat North Carolina) und sein Team berichten, war ein intensives Krafttraining über 18 Monate hinsichtlich Schmerzen und der Kompressionskräfte, die beim Gehen aufs Gelenk wirken, einem deutlich abgespeckten Training nicht nennenswert überlegen. Noch überraschender: Auch eine Kontrollgruppe, in der die Patienten nur professionell geschult wurden, kam nach eineinhalb Jahren auf ähnliche Werte in den entsprechenden „Skalen“ (Scores).
An der Studie waren insgesamt 377 Patienten im Alter von mindestens 50 Jahren mit röntgenologisch bestätigter Gonarthrose und Knieschmerzen beteiligt. 127 Teilnehmer wurden der Gruppe mit intensivem Krafttraining zugelost, 126 einem moderaten Krafttraining und 124 der Kontrollgruppe, die im Studienzeitraum lediglich wöchentliche bzw. monatliche Workshops zur Kniegesundheit besuchte.
Dreimal wöchentlich Krafttraining
In beiden Interventionsgruppen wurde über die gesamten 18 Monate jeweils dreimal wöchentlich unter professioneller Anleitung trainiert. Die jeweils einstündigen Trainingseinheiten beinhalteten Übungen zur Hüftabduktion und -adduktion, Anziehen und Strecken der Beine, Beinpresse, Wadenheben sowie verschiedene Übungen zur Kräftigung von Brust, Rücken und Abdomen.
Die Gruppe mit Intensivtraining kam dabei auf deutlich höhere Belastungen: Gestartet wurde mit einem Kraftwert (maximales Gewicht, das bei einer Wiederholung gestemmt werden kann, 1RM) von 75%, welcher im Lauf der Studie auf bis zu 90% gesteigert wurde. In der nur moderat trainierenden Gruppe dagegen lag der 1RM-Wert bei höchstens 40%.
Die Schmerzen im Kniegelenk wurden mit dem WOMAC (Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index) gemessen, wobei höhere Werte auf der 20-Punkte-Skala stärkeren Schmerzen entsprechen. Die Kompressionskräfte am Kniegelenk waren definiert als maximaler tibiofemoraler Kontakt entlang der verlängerten Tibiaachse beim Gehen. Dieser Wert wurde mithilfe eines Simulationsmodells (muskuloskelettales Modelling) ermittelt. In der endgültigen Analyse wurden Geschlecht, BMI und die jeweiligen Ausgangswerte berücksichtigt.
Nach 18 Monaten waren die Schmerzwerte in den paarweisen Vergleichen nicht signifikant unterschiedlich: median 5,1 gegenüber 4,9 Punkten beim Vergleich intensives Training vs. Kontrollgruppe und 4,4 Punkte in der Gruppe mit moderatem Training (der Mindestunterschied, der als klinisch relevant gilt, liegt bei 2 Punkten). Und auch die Kompressionskräfte waren in den entsprechenden Paarungen vergleichbar.
Moderates Training brachte mehr
Bei einer Zwischenauswertung nach sechs Monaten hatte das gemäßigte Krafttraining den Patienten in puncto Schmerzen sogar deutlich mehr gebracht (median 4,4 Punkte gegenüber 5,6 Punkten nach intensivem Training). Bei den Kraftwerten dagegen hatte sich in dem kurzen Zeitraum kein nennenswerter Unterschied ergeben.
Auch bei der 6-Minuten-Gehstrecke, die die Teilnehmer nach einem halben Jahr bewältigen konnten, war die Gruppe mit mäßiger Trainingsintensität deutlich im Vorteil (514 m gegenüber 493 m). Zum Studienende war dieser Unterschied jedoch nicht mehr signifikant.
Auf die Gelenkspaltweite hatte das Training offenbar keinen Einfluss: Zu Beginn hatte man in der intensiv trainierenden Gruppe 3,1 mm gemessen, in den anderen beiden jeweils 3,0 mm. Nach 18 Monaten hatten sich die Werte in allen Gruppen leicht verschlechtert, und zwar auf 2,9 (nach intensivem Training) bzw. jeweils 2,8 mm in den beiden anderen Gruppen.
Häufiger Schmerzen außerhalb des Gelenks
Schwere Nebenwirkungen, die auf die Übungen zurückzuführen wären, wurden nicht berichtet, allerdings traten bei den härter gegenüber den moderat trainierenden Patienten häufiger Schmerzen außerhalb des Knies auf (zwölf gegenüber sieben Fällen), in acht (gegenüber zwei) Fällen kam es außerdem zu Muskelüberlastungen.
Keine Unterschiede fanden sich dagegen bei den eingenommenen Schmerzmedikamenten (v. a. NSAR).
Nach den Kriterien der OMERACT-OARSI* ist eine Verbesserung der Kniegelenkarthrose dann klinisch relevant, wenn sich Schmerzen und Funktion des Kniegelenks um mindestens 20% gebessert haben. Dieser post hoc erhobene Schwellenwert wurde nach leichtem Training sogar von mehr Patienten erreicht als nach hartem Training; die Anteile betrugen 56% bzw. 45%. Erstaunlicherweise lag die Kontrollgruppe mit 60% sogar noch darüber.
Die unerwarteten Erfolge bei Patienten, die gar kein Krafttraining erhalten hatten, erklären sich die Forscher mit dem Placeboeffekt der Gruppensitzungen.
Das, worauf man gehofft habe, nämlich eine Verbesserung der Schmerzen und ein verlangsamtes Fortschreiten der Arthrose durch das intensive Training, sei jedoch nicht eingetreten. Letzteres könne man Arthrosepatienten somit eher nicht empfehlen. Inwieweit moderater Kraftsport fürs Knie ratsam ist, müssen künftige Studien zeigen.
*Outcome Measures in Rheumatology Clinical Trials and the Osteoarthritis Research Society International
Das Wichtigste in Kürze
Frage: Wie effizient ist ein langfristiges intensiv betriebenes Krafttraining bei Arthroseschmerzen im Kniegelenk?
Antwort: Im Vergleich mit einem Training mittlerer Intensität zeigten sich keine Vorteile, weder in puncto Schmerzen noch bei der Druckbelastung, die beim Gehen auf das Gelenk wirkt.
Bedeutung: Intensives Krafttraining wird durch die Studienergebnisse nicht unterstützt.
Einschränkung: Überwiegend männliche, übergewichtige Teilnehmer. Um die Kompressionskräfte am Knie abzuschätzen, wurde ein Simulationsmodell verwendet.
Quelle: Springermedizin