Der Schmerz, der mich seit Jahren begleitet, kam mit der Zeit in mein Leben. Erst tat nur ein Gelenk in der Hand weh. Der Schmerz war mein ständiger Begleiter bei jeder Bewegung. Erst jetzt weiß
ich, wie oft „man“ die Hand benötigt – bei fast allen Bewegungen. Ich konnte nachts nicht mehr schlafen, meine Hand wurde immer kraftloser. Mit der Zeit tat die ganze Hand und später der ganze
Arm weh. Sogar in die Schulter strahlten die Schmerzen später dann aus. So gut es ging, vermied ich es, den Arm zu bewegen.
Ich entschloss mich, den Schmerz mit Medikamenten zu vertreiben. Aber die frei verkäuflichen Medikamente halfen mir bald nicht mehr. Ich hatte auch Angst vor den im Beipackzettel genannten
Nebenwirkungen, auch weil ich nicht mehr jung bin, und mehrere Organsysteme durch die Medikamente, die ich in immer höheren Dosen einnahm, geschädigt werden könnten. So begann eine Odyssee durch
verschiedene Arztpraxen. Meine Wege führten vom Hausarzt, über den Orthopäden zum Chirurgen, dann erfolgte eine mehrmonatige Behandlung bei einem Facharzt für Physikalische und Rehabilitative
Medizin. Verschiedene Diagnosen wurden mir genannt: Sehnenriss, Sehnenscheidenentzündung, Karpaltunnelsyndrom, Arthrose, Fibromyalgie und weitere. Je nach der genannten Diagnose wurden mir auch
diverse Behandlungsmöglichkeiten angeboten. Dann erfolgte eine mehrmonatige Behandlung bei einem Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin. Dieser spritzte Cortison in einige Gelenke.
Aber nichts half dauerhaft! Dann schlugen mir die Ärzte verschiedene Operationen vor. Man könnte fast sagen, dass jeder Arzt eine andere Operation vornehmen wollte. Das kam mir seltsam vor, denn
die genaue Diagnose stand ja noch nicht fest. Deswegen ließ ich mich nicht operieren. Stattdessen erhielt ich sogar Opioide, die zwar halfen, mich aber müde machten. Kaum noch traute ich
mich Auto zu fahren. Auch an meiner Arbeitsstelle musste ich mich immer öfter krankmelden. Nun verschlechterte sich auch noch mein psychisches Befinden. Mein Leben war fast nur noch auf den
Schmerz reduziert. Die Opioide musste ich steigern, wollte das aber nicht mit dem Arzt besprechen, weil ich mich dort nicht immer ernst genommen fühlte. Ich dachte, dass der Arzt mir schon
glaubt, dass ich Schmerzen habe, aber nicht die von mir angegebene Schmerzstärke. Bald zog ich mich fast komplett aus meinem Bekanntenkreis und von jeglichen Aktivitäten zurück. Die depressiven
Phasen wurden länger. Mir wurde klar, dass ich schnell etwas unternehmen musste, wenn ich nicht ganz die Kontrolle über mein Leben verlieren will. Da las ich im Internet von einer Schmerzklinik.
Mit dieser nahm ich Kontakt auf, und nach einigen Monaten Wartezeit konnte ich endlich zu der Therapie anreisen. Vorher war ich zwar – ich gebe es zu – recht misstrauisch, weil ich schon öfter
die Erfahrung gemacht hatte, dass ein neuer Behandler mein Vertrauen bekam, mich aber - für mein Empfinden - nicht ernst nahm oder mit mir Geld durch Operationen oder Spritzen verdienen wollte.
In dieser Klinik war das anders: Alle glaubten mir, die Ärzte, die Psychologin, die Physiotherapeuten, das Pflegepersonal! Ich fühlte mich „angekommen“. Zu meiner Überraschung wurde ich nach
verschiedenen Untersuchungen und Gesprächen mit den unterschiedlichen Therapeuten zu einer „Schmerzkonferenz“ eingeladen, in der alle miteinander und mit mir über meine Schmerzen und das mögliche
Behandlungskonzept sprachen. Ich ging etwas unsicher in diese Konferenz, aber alle waren nett zu mir. Ich wurde sogar gefragt, ob es weitere Belastungsfaktoren in meinem Leben gibt. Am Ende waren
wir uns alle einig, welches Behandlungskonzept nun angewendet werden sollte. Dieses „WIR“ hatte ich noch nie erlebt, ich war ein Teil des Teams! Ich schöpfte wieder Hoffnung und war bereit,
bei allem mitzuarbeiten. Es gab Physiotherapie. Ich lernte auch verschiedene Bewegungsarten kennen. Manche helfen mir tatsächlich. Dazu kam eine Gesprächsgruppe von Betroffenen, die alle ganz
verschiedene Arten von Schmerzen hatten. Hier erfuhr ich, dass die anderen ähnliche Probleme im Leben durch die Schmerzen hatten. Aber es tat so gut, sich mit anderen Leidensgenossen
auszutauschen. Bisher hatte ich auch noch nie so offen mit Fremden über meine Gefühle gesprochen. Die Psychologin erzählte uns, dass wir den Schmerz vielleicht nie wieder ganz loswerden würden,
dass man aber damit ein ganz großartiges Leben führen kann. Wir bekamen in der Gruppe Besuch von einer Patientin, die früher hier behandelt wurde und jetzt, wie sie sagte, ein positives und
erfülltes Leben führt, obwohl sie noch Schmerzen hat. Sie hatte in der Schmerztherapie verschiedene Methoden kennengelernt, wie bestimmte physiotherapeutische Anwendungen. Wir lernten auch
mehrere Methoden zur Entspannung kennen. Mir gefiel besonders die Phantasiereise. Dabei stelle ich mir vor, dass ich an einem schönen Strand liege, die Wellen rauschen höre und der warme Wind
über meinen Körper streicht, der keine Schmerzen spürt. Vor dem Aufenthalt in der Schmerzklinik dachte ich, dass ich dort vielleicht auf andere Medikamente eingestellt werde. Aber die Ärzte
reduzierten in Absprache mit mir die Medikation, so dass ich am Ende gar keine Opioide mehr brauche. Ich weiß heute, durch welche Aktivitäten ich meine Schmerzen lindern kann. Nur noch selten
brauche ich ein Medikament, aber kein Opioid mehr. Übrigens wurde die Diagnose für meine Schmerzen auch in dieser Klinik nicht vollständig geklärt. Aber mittlerweile ist es mir wichtig, dass ich
mit den Schmerzen gut umgehen kann und nicht, wie die Diagnose genau lautet.
Nach der Entlassung fehlte mir der Austausch mit anderen Betroffenen. Ich nahm Kontakt mit der Selbsthilfeberatungsstelle vor Ort auf. Dort bekam ich die Kontaktdaten einer Selbsthilfegruppe in
meiner Nähe. Seit Jahren bin ich dort nun ein festes Mitglied. Teil dieser Gruppe zu sein, den Austausch und die gegenseitige Unterstützung zu erfahren, tut mir sehr gut!
Autor: Ein Schmerzpatient